Aufstieg und Fall der Arado-Flugzeugwerke

 

Bevor die Arado Handelsgesellschaft im Jahre 1925 in Warnemünde ihren Betrieb aufnahm, gab es in dem Badeort an der Warnowmündung vor den Toren Rostocks bereits eine Flugzeugindustrie.

Im Oktober 1912 fand in Heiligendamm, dem ältesten Seebad Deutschlands, erstmals ein Wasserflugzeugwettbewerb statt. In der Folge entstand in Warnemünde auf dem östlichen Ufer der Warnow ein ziviler Wasserflugplatz mit Werksanlagen und Flugschulen. Mit Beginn des I. Weltkriegs wurden die Einrichtungen im Sommer 1914 von der Kriegsmarine übernommen. Sie dienten fortan der Erprobung von Wasserflugzeugen.

Im Zuge einer Erweiterung der Anlagen entstand 1917 auf dem westlichen Ufer des Breitling, einer ca. 2500 Meter breiten lagunenartigen Erweiterung der Unterwarnow kurz vor deren Mündung in die Ostsee, ein Zweigwerk des Flugzeugbaus Friedrichshafen. Bis zum Ende des I. Weltkriegs wurden hier Seeflugzeuge produziert. Nach Kriegsende 1918 kam der Flugzeugbau aufgrund der Bedingungen des Versailler Vertrages zum Erliegen. 1921 übernahmen die zum Stinnes-Konzern gehörenden Dinos-Automobilwerke in Berlin die ehemalige Werft des Flugzeugbaus Friedrichshafen, ein Schritt im Hinblick auf Stinnes' Absicht, im Flugzeugbau Fuß zu fassen. Nach dem Tod des Senior-Chefs Hugo Stinnes im April 1924 und im Zuge der nachfolgenden Erbauseinandersetzungen verkauften die Stinnes-Beauftragten Walter Hormel und Felix Wagenführ Anfang 1925 die Dinos-Werft.

Am 7. April 1925 wurde die Gründung der Nachfolgegesellschaft unter der Bezeichnung "Arado Handelsgesellschaft mbH" mit Sitz in Hamburg, Jungfernstieg 30, bekannt gegeben. Die Arado Handelsgesellschaft übernahm am 10. August 1925 die Eigentumsrechte an der ehemaligen Dinos-Werft. Erste Geschäftsführer waren Walter Hormel und Felix Wagenführ. Im Herbst 1925 übernahm der Ingenieur Heinrich Friedrich August Lübbe Hormels Mehrheitsanteile. Lübbe prägte die Firma bis Anfang der 30er-Jahre.

Als Zweck der Firmengründung wurde "die Fabrikation, der Vertrieb und Betrieb von Fahrzeugen aller Art" angegeben. Damit wurde in Verbindung mit dem Begriff "Handelsgesellschaft" der wahre Zweck der Firmengründung, nämlich die geplante Flugzeugproduktion, gegenüber der Überwachungskommission der Alliierten verschleiert.

 

Der spanische Begriff "Arado" steht für "Pflug". Hierzu gibt es zwei Deutungen, zum einen der Hinweis auf den Vertrieb landwirtschaftlicher Geräte, zum anderen der Hinweis auf das Durchpflügen der Meere durch Schiffe. Im Stinnes-Konzern war das Codewort "Stinnarado"  im Rahmen von Schiffslieferungen nach Südamerika verwendet worden.

Nach der Lockerung der Baubeschränkungen durch die Alliierten, entwickelte sich die Arado Handelsgesellschaft in den 30er-Jahren zu einem der größten Luftfahrtunternehmen in Deutschland. In der Aufbauphase setzte man große Hoffnungen in die Entwicklung von Sport-, Reise- und Verkehrsflugzeugen. Aber schon bald zeigte sich, dass solche Projekte das Überleben des Unternehmens nicht sichern konnten. Es wurden erste Bauaufträge für militärische Flugzeugtypen akquiriert, und auch die bis 1930 entwickelten Schulflugzeuge dienten überwiegend der Ausbildung zukünftiger Militärpiloten.

1931 erweckte der Hauptgesellschafter der Arado-Werke Lübbe das Misstrauen der deutschen Luftfahrtbehörden, als er versuchte, ein Waffenpatent in die USA zu verkaufen. Daraufhin erzwang das Reichsverkehrsministerium die Besetzung der Technischen Leitung der Werke mit dem Diplomingenieur Walter Blume, einem Mann des Vertrauens des Ministeriums.

Ab 1933 verstärkte sich der Einfluss staatlicher Stellen, vorrangig durch das Reichsluftfahrtministerium (RLM). Alle Bemühungen der Geschäftsführung, diesen Einfluss zurückzudrängen, scheiterten, und im Frühjahr 1936 wurde Lübbe gezwungen, sein Unternehmen an das Deutsche Reich zu verkaufen. Lübbe wurde aus seiner eigenen Firma, die fortan "Arado Flugzeugwerke GmbH" hieß, entlassen. Die Leitung der neuen GmbH oblag nun Erich Serno und Felix Wagenführ.

Das Herz des Unternehmens, die Konstruktionsabteilung, war bereits 1935 von Warnemünde nach Brandenburg/Havel verlegt worden. Hier entstanden bis 1943 unter der Führung von Walter Blume, inzwischen Chefkonstrukteur der Arado-Flugzeugwerke, etwa 80 neue Flugzeugprojekte.

Infolge einer Vielzahl von Bauaufträgen aus dem RLM wurden die Werksanlagen in den Jahren von 1936 bis 1943 systematisch erweitert. Um 1942 verfügte Arado über 18 in- und ausländische Werke u.a. in Warnemünde, Brandenburg/Havel, Anklam, Rathenow, Potsdam-Babelsberg, Landeshut und Wittenberg. Die Zahl der bei Arado Beschäftigten stieg von 287 Mitarbeitern im Jahre 1932 auf die Höchstzahl von 30.670 im Jahre 1944.

Ar 96 B-T (Quelle: H.J. Ebert)

IZunehmende alliierte Bombardierungen deutscher Industrieanlagen beschleunigten bereits ab 1942 Bestrebungen zu Lizenzfertigungen im besetzten Ausland. Arado-Lizenzproduktionsstätten entstanden u.a. bei der SNCASO (Société Nationale de Constructions Aéronautiques du Sud-Ouest) in Saint-Nazaire in Frankreich und bei Fokker in Amsterdam in den Niederlanden. Zulieferteile kamen u.a. aus französischen, dänischen und tschechischen Werken.

Unter der Vielzahl von Arado-Flugzeugen verdienen Erwähnung: die Ar 96 als bewährtes Standardausbildungsflugzeug der Luftwaffe. Das Luftfahrzeug ging als einzige Eigenentwicklung mit mehreren tausend gefertigten Maschinen in Großserie. Darüber hinaus wurden mehr als 500 Exemplare des einmotorigen katapultstartfähigen Standardbordflugzeugs Ar 196 gebaut.

Ar 234 V 13 (Quelle: H.J. Ebert)

Arado entwickelte auch das zweistrahlige Düsenflugzeug Ar 234, ein Nachtjäger und Aufklärungsflugzeug, von dem mehrere hundert Stück gefertigt wurden.

Nach Kriegsende 1945 wurden die Arado-Produktionsstätten – soweit sie nicht bereits durch alliierte Bombenangriffe zerstört waren - demontiert.  Brauchbare Geräte, Fertigungsanlagen, Materialien und Flugzeuge teilten die Alliierten untereinander auf. Der Grossteil wurde in die damalige Sowjet-Union verbracht, Unbrauchbares wurde vor Ort zerstört. In den Nachkriegsjahren erfolgte die Abwicklung der Arado-Flugzeugwerke, 1961 wurde die Firma aus dem Handelsregister gelöscht.

 

Chefkonstrukteur Walter Blume versuchte nach 1945 einen Neustart in Westdeutschland. 1953 gründete er in Duisburg ein Ingenieurbüro für Leichtbau und Strömungstechnik mit dem Ziel des Auflebens des Flugzeugbaus. Allein es fehlten die ehemals leitenden Fachkräfte, die im deutschen Flugzeugbau keine Zukunft mehr sahen. In seiner letzten Schaffensphase war Blume für Focke-Wulf und Weser-Flugzeugbau tätig. Er verstarb 1964.

 

 

 

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